Aus Scham wird oft geschwiegen / Schlechte Behandlungsqualität fördert die Tabuisierung der Volkskrankheit 19.05.2014. Wer feststellt, dass er seine Blase nicht mehr unter Kontrolle hat, fühlt sich häufig nicht krank, sondern alt und beschämt. Denn die Kontrolle der Ausscheidungen ist die erste soziale Leistung, die uns als Kleinkind abverlangt wird. Wer in diesem Punkt nicht richtig funktioniert, empfindet die gesellschaftliche Tabuisierung des Themas oftmals stärker als den körperlichen Mangel. Doch Inkontinenz ist gut behandelbar. Wer das Gespräch mit dem Arzt scheut, sollte sich vor Augen führen, dass jeder zehnte Deutsche betroffen ist. Die Behandlung von Inkontinenz gehört also für Mediziner zur täglichen Routine.
Doch wie bei vielen Routinetätigkeiten schleicht sich auch hier in der Ausführung oft Gleichgültigkeit ein. Prof. Klaus-Peter Jünemann, Direktor der Klinik für Urologie und Kinderurologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel und Erster Vorsitzender der Deutschen Kontinenz Gesellschaft: „Von den Patienten, die zum Arzt gehen, werden leider nur zehn Prozent richtig behandelt. Daher ist Hartnäckigkeit gegenüber den behandelnden Ärzten besonders wichtig. Denn sogar, wenn ein Betroffener medizinisch als austherapiert gilt, kann er mit den richtigen Hilfsmitteln fast unbehindert am täglichen Leben teilhaben.“
Die oft schlechte Behandlungsqualität hat mit Unwissen und mit einer Verharmlosung des Problems Inkontinenz auch durch die Ärzte zu tun, so halten es viele Ärzte für normal, dass man im Alter inkontinent wird und spielen das Problem herunter oder halten es nicht für behandlungsbedürftig. Dazu kommt die Notwendigkeit einer sehr individuellen Ursachenforschung. Hier ist nicht wie bei einem gebrochenen Knochen eine einzige Ursache universell verantwortlich. Vielmehr sind viele Organe beteiligt, die zudem geschlechterspezifisch unterschiedlich sind.
Es ist für die Patienten jedoch wichtig zu wissen, dass Inkontinenz heute keine Krankheit mehr ist, die man einfach schicksalsgegeben hinnehmen muss. Prof. Klaus-Peter Jünemann ermuntert daher alle Patienten, bei einem ausbleibenden Behandlungserfolg den Arzt erneut aufzusuchen oder zu einem Spezialisten zu wechseln, z.B. zu einer durch die Deutsche Kontinenz Gesellschaft zertifizierten ärztlichen Beratungsstellen oder Kontinenz- und Beckenboden Zentren. „Die von der Deutschen Kontinenz Gesellschaft zertifizierten Kontinenz- und Beckenboden-Zentren sind immer interdisziplinär besetzt. Das bedeutet, dass durch gemeinsam arbeitende Fachärzte die spezifische Ursachenforschung grundsätzlich sehr detailliert vorgenommen werden kann. Das steigert die Chancen auf einen Behandlungserfolg deutlich.“ Inzwischen wurden nahezu 1.300 ärztliche Beratungsstellen sowie 73 Kontinenz- und Beckenboden Zentren zertifiziert, sodass nahezu im gesamten Bundesgebiet wohnortnah Spezialisten vorhanden sind.
Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft e. V. hat es sich als gemeinnützige, medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft seit 1987 zur Aufgabe gemacht, Inkontinenz aus der Tabuzone zu holen und so den Weg frei zu machen für eine verbesserte Diagnose, Behandlung und Prävention von Harn- und Stuhlinkontinenz. Dafür steht bundesweit ein interdisziplinärer Expertenrat aller betroffenen Fachrichtungen zur Verfügung. Mit der Zertifizierung von ärztlichen Beratungsstellen sowie Kontinenz- und Beckenboden-Zentren und der Veranstaltung von Fortbildungen trägt die Deutsche Kontinenz Gesellschaft maßgeblich zur Qualitätssicherung in der Behandlung und Beratung von Menschen mit Inkontinenz bei.
Quelle: Urologenportal / Presseinformation der Deutschen Kontinenz Gesellschaft e.V.